# Erkenntnis

Seit etwa einer Stunde sitzen sie nun schon da, ein junger Mann und seine reizende Kum­pa­nin. Die Beiden wollten endlich dieses neue kleine Café besuchen, von dem gerade alle so schwärmen. Es habe so ein besonderes Flair, das Ambiente sei unvergleichlich. Und tatsächlich, schon beim Betreten des simpel gestalteten Etablissements überkam beide ein ungewöhnliches Gefühl. Während sich seine Begleitung von den organischen Formen der Möbel und der erheiternden Beleuchtung fasziniert zeigte, schien über unseren jungen Freund eine Welle der Kälte zu schwappen. Zunehmend schweife sein Blick ins Leere, die Aufmerksamkeit schwand. Seine Bestellung konnte er gerade noch abgeben. Doch was seine Freundin sagt, hört er nun kaum noch. Das leichte Zittern, das sich schon vor einigen Minuten bemerkbar machte, beunruhigte ihn. Sein Herzschlag beschleunigt sich, das Blut rauscht in seinen Ohren. Das Zittern wird stärker, es wirkt als vibrierte er. Sämtliche Geräusche verschwimmen, auch der besorgte Blick seiner Freundin erreicht ihn nicht mehr. Die Zeit steht still.

Nur einen Augenblick später befindet sich die Erde weit hinter ihm. Kopf voraus schoss er gen Himmel, weder das Dach des Cafés, noch das Flugzeug, dass er durchstieß, standen ihm im Weg. Sein Heimatplanet zerbricht hinter ihm und zerfällt in glühenden Staub. Seine Pupillen weiten sich. Während er an Sternen, Planeten, Nebeln, ganzen Galaxien vorbei zieht, platzen seine Augen und gehen in Flammen auf. Unaufhaltbar schießt er weiter durchs All. Das Feuer in seinem Kopf breitet sich aus, kurz darauf steht sein ganzer Körper in Flammen. Langsam zerfällt er. Brennende Brocken fallen von ihm ab, bis nichts mehr übrig ist. Materielos schnellt er mit steigender Geschwindigkeit als weißglühendes Nichts durch die endlose Leere. Ein trostloses Weiß umgibt ihn.

Die Geschwindigkeit sinkt. Das All gewinnt wieder an Farbe. Einzelne Himmelskörper sind zu erkennen. Direkt vor ihm ein blauer Planet, ein Satellit, Wolken, ein Flugzeug, Gebäude, ein Café, er.

Wortlos steht er auf und verschwindet.

1 Kommentar:

  1. wie tiefsinnig. jetzt weiß ich endlich, was männer denken, wenn man mit ihnen auf einen kaffee geht und sie so abwesend schauen.

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