# Ausdruck

Schall
Ich will weg von der Quelle, raus aus dem Kopf. Ich werfe mich hin & her, pralle gegen Wände und finde meinen Weg ins Freie – doch bin ich nun entstellt. Verformt stolpere ich weiter, meiner Bestimmung entgegen. Ich erreiche es, mein Ziel – doch es zerstört mich. Missverstanden zerfalle ich in Unglauben.

Sprache verleiht Gedachtem zwar Ausdruck, doch verstümmelt sie es auch.

Schwung
Wiedergeboren am Ursprung, quält es mich an die Wand. Mit aller Kraft versuche ich, sie zu stürzen. Sie biegt & dehnt sich; sie gibt nach, doch nicht auf. Nur blasse Schatten meines Tuns dringen nach außen – wieder habe ich versagt.

Wo Gesprochenes taumelt, bringt es Gestik zu Fall.

…?
Ich verbleibe gehört & gesehen – miss- & unverstanden. Wie gerne würde ich mich zeigen, in voller Gestalt! So bleibe ich hier, wartend.

# Fortschritt

Geleitet vom Urtrieb – dem Drang nach Bestehen – formten und formierten sich Zellen, sprossen rasant, mehrten sich und verließen den Sud, der sie gebar.

Das junge Leben schritt voran, spaltete sich, floh in die Wipfel, kroch herunter und unterwarf sich den Planeten. Wissen ward gezeugt, nahm Gestalt an und wuchs so schnell es auch der Mensch tat.

Mehr und mehr wird gewusst, geformt und geschaffen – stetig steigt die Last im Kopf, ungestillt die Sucht nach mehr. Zu viel gibt es zu sehen, zu fühlen, zu leben – zu klein ist ein Einzelner.

Erbaut auf festem Grund häuft sich das Abstrakte, wird zum Nährboden des Fortschritts, dient unserem Willen, verschleiert unsere Wünsche. Das Kreierte stützt uns, türmt und stapelt sich, hebt uns … erdrückt uns.

# Fern

Aus ihr entstanden, in sie geboren und doch von ihr getrennt. Inmitten ihrer Früchte lebend, kann ich sie doch nicht spüren, denn stahl man sie ihr. Von ihrer selbst geknechtet erduldet sie in Würde ihren schleichenden Niedergang, doch nur zum Schein! Gleichgültig und grausam schlägt sie zu, abseits des Rächens, ohne Absicht. Je weiter sie getrieben und gedrängt, desto stärker ihr Wüten, desto lauter ihr Schrei. Und doch höre, fühle und lebe ich sie nicht!

Kein Fleck blieb unberührt, gänzlich ist sie entstellt von den Spuren des Missbrauchs ihrer eigenen Brut. Devastiert ist der Bund, der uns eint, verkommen zum Schatten eines Fadens. Der Verzweiflung zum trotz pocht die Sehnsucht nach ihrer Freiheit.

Und so wandere ich, suchend.

# Feuer

Die Welt ist ein Missstand und wird von eben solchen bewohnt. Veränderung?
Unwahrscheinlich und vergebens. Was tun?

Brennen.

Den Funken zünden, die Erde im Schein der lebenden Zerstörung erleuchten. Selbst zum Feuer werden und das Elend verschlingen. Lodernd Asche schaffen. Knisternd die Welt erlösen. Das Leid auslöschen, bis man selbst erlischt, bis nichts mehr da ist, das die Flammen nährt.

Dann erst herrscht Ruhe.

# Zerfall

Ich fliege. Der Wind umrauscht mich, trägt mich, gibt mir Kraft. Doch er schwindet. Sein Rauschen wird leiser, bis es schließlich verstummt. Ich werde langsam, schlage mit den Flügeln, um nicht zu sinken.

Da beginnt es. Federn fallen von mir ab. Erst nur ein paar wenige, dann mehr. Hektisch zapple ich durch die Luft, bis das Rauschen wiederkehrt. Es kommt vom Fall. Verzweiflung weht mir entgegen, beschwert mich. Mit nackten Schwingen stürze ich ungebremst richtung Grund.

Am Boden ein Spiegel. Mein Abbild fällt mir entgegen. Wir rasen aufeinander zu.

Aufprall. Ich zerschelle, der Spiegel nicht.

# Ketten

Dieser Lärm, dieser unerträgliche Lärm. Ein Prasseln, ein Klirren, das Geräusch, wenn Metall an Steinen reibt. Es treibt mich in den Wahnsinn, es zermürbt mich.

Es sind die Klänge verzweifelter Fluchtversuche. Es ist der Wunsch nach Freiheit und Entfaltung. Es ist eine Kreatur in einem Kerker. Ein mächtiges, schönes Wesen, das zu fliehen sucht. Den Ausgang im Auge, von Ketten umschlungen. Voller Mut, bereit, die Fesseln zu sprengen. Majestätisch spreizt es seine Schwingen, setzt an zum Flug, doch wird es zu Boden geworfen von eiskaltem Stahl. Immer und immer wieder. Jeder Versuch scheitert.

Unbeirrt macht es weiter, zerrt an den Ketten, ignoriert das Leid. Und wieder hallt er durch's Gemäuer – der Lärm, der meine Augen offen hält.

# Harz

Hat man sein Ziel erst vor Augen, könnte es weiter nicht sein. Mit unerreichter Pracht strahlt es pure Sehnsucht aus. Doch steht dir eine gläserne Wand grausam im Weg, schürt dein Begehr und erstickt dein Streben. Jeder Versuch, sie zu durchbrechen, treibt deine Wünsche voran, doch wirft dich zurück. Jedes Klopfen, jedes Hämmern ist ein Stich ins Herz.

Allein die Zeit drängt dich nach vorn. Wie ein Tropfen Harz ein Insekt, umschließt sie dein Denken und fließt zäh und langsam zu Boden – Tag für Tag.

Immer näher kommst du der Erlösung, immer heller scheint die Begier, verbrennt dir die Augen. Um dich zu schützen, wendest du dich ab, zu sehr leidest du darunter. Dennoch spürst du den Drang, der dich dein Herz klopfen hören lässt, der klare Gedanken erdrückt und Geduld zerbricht.

# Leere

Ich bin voller Leere und gehe nun über. Das kalte Nichts fließt langsam an mir herab, läuft zusammen und bildet eine Form. Es ist ein Schatten meiner selbst, in dem ich kauere. Kein Licht erreicht mich und mir ist kalt. Dafür bin ich verborgen und sicher. Niemand findet mich: kein Gedanke, kein Gefühl, keine Fragen. Fern allen Treibens bin ich sicher, doch einsam. Motivation und Leidenschaft fahnden nach mir – vergebens.

Ich betrachte das Elend, in das ich geflohen bin und erkenne mein totes Ich. Tote Gedanken, tote Fragen, tote Ideen sind es, in denen ich mich suhle, die mich bedecken und verbergen. Trotz, nein, wegen des umgebenden Elends lache ich. Es ist ein grausames Lachen, ein erzwungenes, ein notwendiges. Doch sind es nur verzerrte Rufe.

Ich sehne mich nach dem Funken, der einst das schwarz-grüne Lodern entfachte, das mich am Denken und Fühlen hielt und nun in meiner eigenen Leere erstickt. Doch so ein Feuer nährt die Hoffnung. Und genau vor dieser floh ich – zu leicht zerbricht sie, zu scharf sind ihre Scherben, zu tief die Wunden.

Es hilft nur noch Warten.